Verkehrspsychologie im Rechtskontext

Das Fahreignungsseminar (FES) und verkehrspsychologische Beratung

Was ist das Fahreignungsseminar?

“(1) Mit dem Fahreignungsseminar soll erreicht werden, dass die Teilnehmer sicherheitsrelevante Mängel in ihrem Verkehrsverhalten und insbesondere in ihrem Fahrverhalten erkennen und abbauen.”

Quelle: Fahreignungsseminar Definition Gesetzgeber

Ein Fahreignungsseminar, verkehrspsychologische Beratung bzw. Verkehrstherapie können sinnvoll sein bei hohem Punktestand, wenn sonst der Führerscheinverlust aufgrund eines Vergehens droht oder um eine medizinisch - psychologische Untersuchung (MPU) zu vermeiden. Im einfachsten Fall geht es nur darum, bis zum Stand von fünf Punkten im Fahreignungsregister, mit dem Fahreignungsseminar einen Punkt abzubauen, um damit das Risiko eines späteren Führerscheinentzuges zu minimieren. 

Warum ein Fahreignungsseminar (FES) nach §42 FEV?

Insbesondere Berufskraftfahrern und Selbständigen, deren Führerschein existenziell wichtig ist, aber auch Fahranfängern ist oft nicht klar, dass bei Führerscheinenentzug wegen zu vielen Punkten vor Neuerteilung eine kostspielige medizinisch-psychologischen Untersuchung (MPU) mit Vorbereitungskosten zu absolvieren ist. Die Kosten dafür liegen dabei selten unter 2.000 Euro. Es kann sich also lohnen, frühzeitig mit einem Fahreignungsseminar gegenzusteuern. 

Verkehrspsychologie im Kontext sanktionsrechtlicher Verfahren

Rund um das Thema Punkte und Straftaten im Straßenverkehr stellt sich für Anwälte, Verkehrsauffällige, und die Strafverfolgungsbehörden regelmäßig die Frage: Wie können behördliche Sanktionsmittel (Strafen, Bußgelder) so eingesetzt werden, dass sie sich günstig auf das Täterverhalten und die Straßenverkehrssicherheit auswirken?
 

Verkehrspsychologie im Rechtskontext

 

Ziehen Täter, Rechtsanwälte und Gericht an einem Strang, so lassen sich Punkte gegen Verkehrstherapie, ein Fahreignungsseminar (FES) oder verkehrspsychologische Beratung / Verkehrstherapie tauschen. Im Idealfall können Strafverfahren gegen Auflage sogar ganz eingestellt werden (vgl. § 153a StPO). Das kann sehr viel Vorteile für die Betroffenen haben, sich aber auch sehr günstig auf das zukünftige Täterverhalten und die Straßenverkehrssicherheit auswirken. Damit ist allen Beteiligten, auch Richtern weitergeholfen, wenn sie z.B. kein Urteil schreiben müssen. Autofahrer werden durch Strafverfolgung und Sanktionsdruck an ihre soziale Verantwortung für andere im Straßenverkehr und ihr Sicherheitsverhalten erinnert, und können mit verkehrstherapeutischen Maßnahmen zu Veränderungen ihres Sozialverhaltens gelangen. 

Einfach ausgedrückt lautet der Deal: Besseres Sicherheitsverhalten gegen weniger Strafe, weniger Sperrfrist und vielleicht sogar Erhalt des Führerscheins.

 

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Mit Verkehrstherapie und verkehrspsychologischer Beratung Rückfällen und Ersatzfreiheitsstrafen vorbeugen

Mit einem besonderen Fahreignungsseminar oder verkehrspsychologischen Einzelmaßnahmen kann insbesondere auch ein negativer Kreislauf durchbrochen werden: Menschen mit hohem Existenzdruck, beruflichen und privaten Schwierigkeiten haben häufig wenig Geld und begehen Straftaten, um sich vermeintlich schnelle Lösungen für ihr Problem zu verschaffen (z. B Fahren ohne Fahrerlaubnis, ). Nun werden diese Personen aber weit überwiegend genau mit demjenigen Sanktionsmittel sanktioniert, was sie am wenigsten haben, nämlich Geld (Geldstrafe). 

Verschärfung von Problemlagen (Sekundärdelinquenz) durch kluge Sanktionspraxis vermeiden

Es ist nur allzu logisch, das dies gerade bei denjenigen, die über nicht so viele Mittel und Ressourcen verfügen zu einer Verschärfung des Problems führt, nämlich mehr Kriminalität, noch mehr Geldstrafe und dann -wegen Geldmangels- Ersatzfreiheitsstrafen oder Sekundärkriminalität wie z. B. Fahren ohne Fahrerlaubnis, Drogenkonsum oder Drogenhandel. Die Gefängnisse werden immer voller und das Kriminalitätsproblem immer größer, anstatt mit den Betroffenen (Täter, Staatsanwaltschaft, Richter, Rechtsanwalt, Maßnahmenträger) Lösungen auszuhandeln, die sich sowohl auf das Täterverhalten als auch auf die Kriminalstatistik, die Straßenverkehrssicherheit und die Inhaftiertenzahlen günstig auswirken. Insbesondere auf gerichtlicher Ebene sollte es aber auch entlastend für die Justiz sein, wenn kein umfassendes Urteil sondern lediglich ein Beschluss (oder noch weniger) schriftlich verfasst werden muss, wenn sich Täter dazu bereit erklären, die drohende Geldstrafe in eine psychologische Maßnahme und nicht Mangels Kapital  ungewollt in Inhaftierung zu investieren.

> mehr zum Thema Ersatzfreiheitsstrafen reduzieren

Therapie oder psychologische Maßnahme im Tausch gegen Strafe

Die Strafwirkungsforschung hat gezeigt, dass Strafe allein eine Wiederholungstat oder eine erneute Auffälligkeit nicht wirksam verhindern kann. Tatsächlich gibt es keinen positiven Zusammenhang zwischen Höhe der Strafe (Geldstrafe, Freiheitsstrafe auf Bewährung, Gefängnis) und Rückfälligkeit. Tendenziell ist der Zusammenhang sogar negativ: Je höher die Strafe, desto häufiger kommen Rückfälle vor.

> mehr erfahren zur Legalbewährung nach strafrechtlichen Sanktionen

Vor diesem Hintergrund sind auch die Sanktionseinrichtungen (Gerichte, Führerscheinstellen, Bußgeldstellen usw.) über die Jahrzehnte flexibler geworden bei der Anwendung von alternativen Strategien und stimmen einem Fahreignungsseminar oder verkehrstherapeutischen Einzelsitzungen zu, um sinnvoll auf sozial schädliches Täterverhalten einzuwirken. Mit solchen verkehrspsychologischen Maßnahmen können die Lernbereitschaft erhöht und die Begeisterung für langfristig effektivere Verhaltensstrategien entdeckt werden. 

“Teachable Moments” - Psychologische Maßnahme anbieten, wenn Menschen offen dafür sind

Gerade bei Punktetätern kann mit einem Fahreignungsseminar frühzeitig der unerwünschte positive Zusammenhang zwischen Delikthäufigkeit und erneuter Auffälligkeit inkl. Führerscheinverlust durchbrochen werden. Insbesondere bei Punktetätern wirken Bußgelder alleine offensichtlich nicht. Nahezu die Hälfte aller männlichen Fahrer werden innerhalb von drei Jahren erneut einschlägig auffällig. Würde die Fahrerlaubnis wegen Punkten entzogen, steigt die Rückfallwahrscheinlichkeit sogar auf über 70%.

> mehr erfahren Rückfallstudie (Klipp, 2013)

Fahreignungsseminar  so früh wie möglich - am besten direkt nach der Tat

In einem eigenen Greifswalder Modell Projekt wurde Tätern direkt nach ihrer Auffälligkeit im Straßenverkehr Informationen Führerscheinberatung der Universität Greifswald angeboten. Die führte dazu, dass fasst doppelt soviele Problemfahrer eine Maßnahme zur Förderung der Fahreignung in Anspruch nahmen, schneller wieder mobil waren, und den Führerscheinentzug teilweise sogar vermeiden konnten.

> mehr erfahren zum Greifswalder Modell 

Sowohl monetär (Kosten) als auch gesellschaftlich (Schaden durch Kriminalität) kann es deshalb günstiger sein, mit den Strafverfolgungsbehörden passende und effektive Behandlungsmaßnahmen auszuhandeln (Geld in die Verkehrstherapie, Fahreignungsseminar, Kursmaßnahme, investieren statt in die Strafe). Der Betrag der Geldstrafe kann in wesentlichen Anteilen in solche Besserungsmaßnahmen, wie psychologische Beratung getauscht werden. Häufig genügt ein Widerspruch und ein fachkundiges Telefonat mit der Behörde, dem Gericht oder der Amtsanwaltschaft. Der Anreiz für Verhaltensänderungen wird dadurch deutlich erhöht. 

Geldstrafen taktisch klug in verkehrspsychologische Maßnahmen investieren

Die Geldstrafe könnte viel wirksamer sein, wenn Täter für ihr Geld auch etwas erhalten, und darüber hinaus sogar noch den drohenden sozialen Abstieg durch Führerschein- und Arbeitsplatzverlust mit verschärften privaten Problemlagen verhindern können. Dies kann Sanktionspraktisch sehr einfach ausgehandelt werden, indem den Tätern gerichtlich auferlegt wird, die ihnen zugedachte Geldstrafe in Rehabilitation und die Verhaltensänderung sowie den Aufbau von sozialen Ressourcen zu investieren. Der Anreiz dafür wird juristisch gesetzt durch die in Aussicht Stellung des Erhalts von sozialem Status (Führerscheinerhalt, Mobilität, Flexibilität im Beruf und privaten Bindungen) im Gegensatz zum geläufigen Vorgehen, den Delinquenten lediglich soziale Ressourcen (Geld) in Form der Geldstrafe zu entziehen und ihnen dafür nichts als die Folge weiteren sozialen Absturzes zu bieten. 

Besserungswirkung von Strafen erhöhen

Die Besserungswirkung eines hohen Bußgeldes oder einer Strafe sollte sich dadurch deutlich erhöhen. Dies gilt insbesondere auch für Personengruppen, die mit Geldstrafen wenig zu beeindrucken, ja geradezu dankbar für eine Geldstrafe sind, da diese Menschen sich dann mit ihrem Problemverhalten und den eigenen Unzulänglichkeiten nicht beschäftigen müssen. Es ist aus kriminologischer Sicht exakt diese Logik die dazu führt, dass Geldstrafe alleine, ohne eine verkehrspsychologische Maßnahme, nicht oder eher Problem verschärfend wirkt.